Messtischblätter (1912)

Das 1912 entstandene Messtischblatt steht in der Tradition der vorausgegangenen Karten von 1834 und 1859/1860. Jedoch ist das Ergebnis eine Karte, die sich bei der Betrachtung wenig von heutigen amtlichen deutschen Karten desselben Maßstabes unterscheidet. Die Weiterentwicklungen betrafen wie bei den vorausgegangenen Karten technische, personelle und organisatorische Elemente der Erstellung. Zu diesen Entwicklungen trug die die Internationalisierung und die Verbindung mit anderen Vermessungswissenschaftlern bei, welche einen Austausch von Daten und Techniken ermöglichte.

Die Internationalisierung der Vermessungswissenschaft wurde ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorangetrieben. Insbesondere der ehemalige Chef der trigonometrischen Abteilung des Generalstabs Johann Jacob Baeyer (1794-1885) setzte sich nach seiner Amtszeit für den internationalen Austausch ein. Er war führend an der Organisation der notwendigen Koordination beteiligt, die zuerst unter den europäischen Staaten und dann auch weltweit zu einer „Internationalen Erdmessung“ führte. Dabei verschob sich der Fokus der Erdmessung von der Bestimmung des gültigen Rotationsellipsoides hin zu einer Bestimmung der jeweiligen Abweichungen des örtlichen Schwerefeldes vom Rationsellipsoiden.

Zeitgleich etabliert sich die Vermessungswissenschaft als eine eigenständige Wissenschaft, die über die praktische Landesvermessung hinausgeht. Dies beeinflusste die Ausbildung der Vermessungsingenieure, welche als eigener Berufsstand mit besonderen Anforderungen anerkannt wurden. Zugleich führte das zunehmende Wissen und die Zusammenarbeit dazu, dass die verschiedenen Teilbereiche des Vermessungswesens in Preußen und dem Deutschen Reich enger miteinander verbunden wurden. Diese waren zuvor dezentral aufgeteilt in die Landesaufnahme, welche der Generalstab durchführen ließ, die Katasterverwaltung, welche dem Finanzministerium unterstellt war und eine weitere Abteilung, die dem Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten unterstellt war. Dieser Zersplitterung sollte das Zentraldirektorium der Vermessungen im Preußischen Staate als Koordinierungsstelle entgegenwirken. Es übernahm daher auch die Leitung der Landesaufnahme. Durch das Zentraldirektorium wurde ein Normalhöhennullpunkt eingeführt sowie eine Neuaufnahme von zwei Dritteln des Staatsgebietes verfügt. Diese Neutriangulation wurde nach der Jahrhundertwende auch für die Gebiete östlich der Elbe veranlasst, woraus auch die hier vorliegende Karte stammt.

Als wichtigster Reformer der Organisation der Landesaufnahme und ihrer technischen Vorschriften dieser Zeit gilt der Offizier Oscar Schreiber (1829–1905), welcher Chef der Trigonometrischen Abteilung der Landesaufnahme von 1888 bis 1893 war. Schreiber war mit den Grundlagen der rechnerischen Methoden unzufrieden und hatte neue Methoden und Standards auf wissenschaftlicher Grundlage erstellt, welche die Qualität der neuen Karten deutlich erhöhten. Dabei ging er von den Grundlagen aus, die Carl Friedrich Gauß (1777-1855) und Friedrich Wilhelm Besse (1784-1846) gelegt hatten und entwickelte aus diesen anwendbaren Methoden für die Landesaufnahme.

Teil der Verbesserung dieser Zeit waren zudem neue Instrumente, welche genauere Ergebnisse lieferten und leichter zu verwenden waren. Außerdem wurde die Technik der Höhenmessung verbessert und diese umfassend festgelegt, so dass es nun ein einheitliches Vermessungsbild in drei Dimensionen gab. In der gleichen Zeit kam es zu Verbesserungen in der Gestaltung der Karten und ihrer Standardisierung und Vervielfältigung, so dass es sich bei der Karte von 1912 um ein verlässliches und sehr dichtes Informationsmedium handelt. Diese Verbesserungen sieht man im Kartenbild sehr deutlich. Die klaren Konturen und die mit wenigen Mitteln dargestellten Landschafts- und Siedlungselemente geben einen guten und klaren Eindruck der Landschaft zum Zeitpunkt der Aufnahme, der sich gut in ein heutiges WebGIS übertragen lässt.

Verwendete Literatur

Torge, Wolfgang (2002): Müfflings geodätisches Wirken in der Umbruchepoche vom 18. zum 19. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Vermessungswesen (ZfV) 127, S. 97–108.
Torge, Wolfgang (2009): Geschichte der Geodäsie in Deutschland. 2., durchges. und korrigierte Aufl. Berlin: de Gruyter.